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 Betreff des Beitrags: Augenblicke des Glücks
BeitragVerfasst: 27.08.2008, 05:49 
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Augenblicke des Glücks
@Manfred Schröder


Die Wellen rollten den Strand hinauf und verteilten salzige Küsse. Der Wind sammelte die wenigen weißen Wolken wie verlorene Schafe und zauberte eine neue Himmelslandschaft für die kreischenden Möwen.
Der Junge lief durch den feinen Sand und für einen Augenblick hinterließ er Spuren seiner nackten Füße als Zeichen eines unbeschwerten Daseins.
Es war der schönste Tag, seit Erschaffung der Welt. Und dieser Tag war für ihn gemacht. Er ließ flache Steine übers Wasser hüpfen, sprang ihnen nach, tauchte ins Wasser, befreite Undine, die Meerjungfrau, aus den Netzen; wurde zum fliegenden Fisch und flog als Möwe zurück zum Strand.
Eine Muschel ragte aus dem Sand hervor, gleich einem vergessenen Horn. Er grub sie aus wie einen wiedergefundenen Schatz und hielt sie an sein Ohr.
„Schiff, ahoi,“ rief Kapitän Morgans tiefe Stimme. Der Junge blickte zum Strand und gewahrte das Boot, welches unruhig auf den Wellen tänzelte.
Kapitän Morgan, seetangbehangen und meersterngeschmückt schwang seinen Arm wie eine Fahne zum großen Aufbruch. Der Junge sprang ins Boot und eine Riesenwelle wogte heran. Wich zurück und nahm es mit sich wie einen kleinen Happen. Der Wind pustete sich auf und die Segel strafften sich, stolz wie die Brüste junger Mädchen.
„Schiff, ahoi,“ schrie auch der Junge und das Boot schoss gleich einem Pfeil über schäumende Wellenberge. Delphine sprangen aus dem Wasser und nahmen den Wettkampf an.
Er nahm die Muschel von seinem Ohr und dachte sich eine andere Geschichte aus. Hoch oben am Strand stand Feinsliebchen Megan. Er erlöste sie vom Bodenschrubben und Tellerwaschen. Reinigte ihr Gesicht von Cinderellaasche und schmückte sie mit den schönsten Kleidern, die er in Tante Pollys Zeitschrift ´Die Frau von heute´ gesehen hatte. Und die Königin von England erblasste vor Neid. Megan lächelte hoheitsvoll, als sie zum Strand herunterschritt.
„Wo ist mein Pferd,“ rief sie und der Junge wieherte fröhlich auf.
„Huckepack,“ gebot sie und er spürte die schönste Last seines Lebens auf seinen Schultern. Einen Augenblick stand er da und scharrte mit seinen Hufen. Womit könnte er Feinsliebchen glücklich machen? Ihm fiel der Mond ein, der des Nachts im Teiche schwimmt. Er dachte an den fauchenden Wind hinterm schrägen Haus. Er spürte die ungeduldigen Schenkel von Feinsliebchen, welche die Welt erobern wollte. So ließ er denn dunkle Wolken am Horizont sich auftürmen und Schlachtgetümmel drang zu ihnen herüber. Und Feinsliebchen schrie:
„Auf nach Bosworth. Der König braucht ein Pferd und ich ein Königreich!“ Und da ihm heute alles vergönnt war, wuchsen ihm Flügel und er flog wie Pegasus über Cornwalls weite Landschaft. Unten grüssten Riesen und warfen vor Freude Steine in die Luft.
Jetzt stand er auf einem Hügel und Feinsliebchen suchte nach dem König. Doch der Junge dachte sich etwas anderes aus. Die Wolken brachen auf und der König rief:
„Einen Königreich für einen Regenschirm!“ Miss Swandson, Lehrerin für Geschichte und Altenglisch, die jeden Morgen ihren großen Dichter mit Halleluja begrüßte, griff zum Stock. Doch Feinsliebchen lachte auf, streckte die Zunge heraus, gab dem Jungen die Sporen und verzichtete auf ein Königreich.
Für einen Augenblick wollte er alleine sein. Er pustete den Himmel leer und blickte den Möwen nach, die ins Blau eintauchten, wie in ein unendliches Meer. Der Sand war warm und er rollte sich wie junge verspielte Katzen. Er war noch sie so glücklich gewesen.
Oben auf dem Sandhügel stand eine vornehme Dame aus der Stadt, und blickte gelangweilt zum Strand hinunter.
„Schau mal, dieser Junge da,“ sagte ihre kleine Tochter, die neben ihr stand. Die Mutter zuckte mit den Schultern.
„Das ist eines von den Kindern hier. Komm! Das ist kein Umgang für uns.“


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 Betreff des Beitrags:
BeitragVerfasst: 27.08.2008, 15:47 
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:ok: :D

Also der Schluss ist überraschend, treffend und stimmt nachdenklich ...

Zwischendrin hatte ich mal ein paar Stellen, da dachte ich: "Hm, was wird das jetzt?"

Doch was nach dem Lesen des gesamten Textes bleibt ist ein feines Lächeln und inneres Zustimmen :ok:


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BeitragVerfasst: 27.08.2008, 18:41 
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Ja, beim aufmerksamen lesen und bei der Kenntnis der irisch- englischen Literatur, wird man eine gewisse Ähnlichkeit zwischen dieser Geschichte und manchen Werken von Dylan Thomas feststellen. Natürlich ist es meine, doch schon immer war mir, wenn er auch wenig geschrieben hat, Thomas ein Vorbild.
Ich habe es ein wenig märchenhaft gehalten, so dass eine ´Folgerichtigkeit´, nicht immer ist gleich zu erkennen.
Der Schluss war bewusst so geschrieben, um einen Unterschied zwischen
´Natürlichkeit´ des Ländlichen und ´Grossstadtdekadenz´ aufzuzeigen, trotzdem die Wirklichkeit komplizierter ist.

Doch dir einen Dank fürs Lesen und Komentar.

Mit Grüssen,
Mande


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