Das Forum der Lese-Ecke

McSorn nickte ohne mit der Wimper zu zucken. "Ma'am ..." Dann folgte er Mirnee in den Bereitschaftsraum.

Kaum hatte sich die Türe hinter den beiden geschlossen, hatte Marietta das Gefühl, als wäre die Temperatur um mindestens 10 Grad gestiegen.

Von neben sich konnte sie gleichzeitig ein erleichtertes Aufatmen hören und die leise Stimme von Lieutenant Wang-Sun ertönte: "Ich möchte jetzt wirklich nicht da drinnen sein. Hoffentlich schalten sie diesmal wenigstens das Dämpfungsfeld ein."

Marietta hörte Fin Bower nervös kichern. "Was ist, Fin?" fragte sie.

Fin sah unruhig zur Tür des Bereitschaftsraum, eher er mit einem verschwörerischen Unterton flüsterte: "Linna von Research sagt, Aslin habe McSorn Avancen gemacht!" Marietta schluckte. Das Aslin vom Männermond kam, wusste jeder. Aber er hatte einen Partner zu Hause, auch das wußte jeder. "Die Mondler sind treu!" sagte Marietta. "Sagen sie selber!" konterte Fin. "Aber wer weiß, was passiert, soweit von zu Hause weg!" Fin grinste hämisch.

"Fin? Du spinnst! Definitiv!" Marietta zuckte gleichmütig die Schultern. Sie gab nicht viel auf Fins Gerede. Außerdem, selbst wenn es so wäre, würde soetwas McSorn nicht dermaßen aus der Bahn werfen, dessen war Marietta überzeugt!

"Was sollte das gerade eben?" Melissa Mirnee nahm auf dem bequemen Sessel hinter dem großen Konferenztisch Platz und legte ihre Arme auf die Tischplatte.

McSorn sah seinem Captain mit unbeweglicher Miene in die Augen und entgegnete mit kühler Stimme: "Sag du es mir, Mel."

Melissa schüttelte den Kopf und wies ihren XO mit der Hand an, sich zu setzen. "Ich verstehe manchmal wirklich nicht, was in deinem Kopf vorgeht. Ganz offensichtlich gibt es da draußen ein größeres Problem und du hast nichts anderes zu tun, als meinem Wissenschaftsoffizier eins reinzuwürgen." Aus Mirnees Augen schienen Funken zu sprühen.

McSorn hob nur eine Braue, erwiderte aber nichts. Er machte auch keinerlei Anstalten, sich zu setzen.

"Nun, nehmen Sie endlich Platz, Commander," Mirnees schneidende Stimme zwang McSorn zum Einlenken und er wählte den weitesten von Mirnee entfernten Sessel, auf dem er etwas hölzern Platz nahm.

"Adam!" die Stimme der Frau ist nun wieder etwas weicher "was ist los, Adam? Muss ich wirklich einen von Euch vom Schiff werfen, nur damit kein Streit mehr ist? Und wenn, wen, Adam? Soll ich den besten WO der Reiter-Flotte feuern? Oder den besten XO? Ich war so froh, Euch beide zu bekommen! Was steht zwischen Euch?"

McSorn sah auf und kurz konnte man einen gequälten Ausdruck in seinen Augen sehen. Dann aber wirkte er kühl wie immer: "Nein, du musst niemanden feuern, Mel! Ich werde mich... zusammenreißen!"

"So wie letztes Mal? Oder vorletztes? Oder das davor? Adam, wieviele zweite Chancen willst du noch?"

"So viele, wie du Aslin auch gewährst," kam die gemurmelte und offensichtlich nicht sehr überlegte prompte Antwort.

McSorn wandte seinen Blick von Melissa Mirnee ab und starrte einen Moment auf die Tischplatte vor sich. Dann erhob er seinen Kopf wieder und sagte mit unbeweglicher Miene: "Ist das alles, was du mit mir besprechen wolltest oder gibt es sonst noch etwas?"

Melissa Mirnee schüttelte fassungslos den Kopf: "Sag mal, du denkst wohl, ich merke nicht, wer mit den Streitereienn beginnt? Willst du Aslin wirklich verübeln, dass er sich wehrt? Alle Streitereien, von denen ich weiß, gingen von dir aus! Und wenn so ein gespräch wie dieses noch einmal nötig wird, werde ich ..."

Ein lautes Rumsen unterbrach die Frau. Und noch ehe sie nachfragen konnte, erklang über den Notruf-Kom-Kanal die Stimme einer ziemlich aufgelösten Lieutenant Baker: "Captain? Alijeppa hat soeben seine Bahn verlassen und ist dicht an uns...äh... vorbeigeschrammt!" Baker hüstelte, ehe sie hinzusetzte: "Es gibt keine Verletzten aber Schäden an der Außenhaut in Höhe der Lastgondeln, Ma'am!"

Im gleichen Moment als es rumste war McSorn bereits aufgesprungen und er blickte Mirnee mit zusammengekniffenen Augen an. Es war offensichtlich, dass er drauf und dran war, dem Captain zuvor zu kommen und ins Kom zu sprechen.

Doch Mirnee reagierte schnell. Mit ruhiger Stimme fragte sie: "Wo befinden sich die Monde, Lieutenant Baker? Besteht Gefahr, dass auch sie an uns ... vorbeischrammen?"

Noch während sie auf eine Antwort wartete gab sie McSorn mit einem kurzen Wedeln ihrer Hand zu verstehen, dass er sich wieder setzen sollte.

Bakers Zögern war fast unmerklich. "Das kann ich nicht sagen. Momentan stehen wir zwischen Alijeppa und seinen Monden. Wohin der Planet allerdings als nächstes..." Wieder ein Rumsen, heftiger diesmal. "Äh... der Planet hat sich noch weiter von seinem System entfernt. Wir haben gerade den Mond Remda abbekommen. Er hat die linke Lastgondel abgerissen, Ma'am." Baker schien der Verzweiflung nahe.

Melissa Mirnee starrte ihren XO einen Augenblick perplex an, dann sprang sie auf: "Lieutenant, verfolgen sie den Kurs des Planeten auf sicherem Abstand!"
Noch während sie sprach, betrat sie die Brücke.

"Aye, Ma'am!"

McSorn folgte ihr unmittelbar. Er trat dicht neben sie und sagte mit gesenkter, aber fester Stimme: "Das halte ich für keine gute Idee, Ma'am. Wenn wir die Bahn des Planeten nicht berechnen können, kann er uns jederzeit unvorbereitet treffen und ich muss Ihnen sicher nicht sagen, was das bedeuten kann."

Dass McSorn seinen Captain weiterhin siezte, war ein sicheres Indiz dafür, dass er es momentan - aus welchem Grund auch immer - vorzog, Distanz zu ihr schaffte.

Mirnee, der dies nicht entgangen sein konnte, warf ihm nur einen kurzen Seitenblick zu und wandte sich an Baker.

"Können Sie inzwischen Angaben über die Größe der Sprünge machen, Lieutenant?"

Baker schüttelte den Kopf: "Die Sprünge sind unterschiedlich groß gewesen. Aber ich habe inzwischen herausgefunden, in welche Richtung der Planet demnächst springen wird. Er sprang bis jetzt in Hinsicht auf seine ursprüngliche Bahn drei Hopser in die richtige Richtung und einen entgegengesetzt! Er müsste, rein theoretisch jetzt noch mal weg von seiner Sonne springen, und dann ein Stück zu ihr zurück... " Baker schluckte und setzte dann leiser hinzu: "Glaub ich jedenfalls!"

"Gut, Lieutenant, dann warten wir den nächsten Sprung ab und wenn er ihrer Theorie entspricht, setzen wir einen Ausweichkurs! Und geben sie bitte ihre Überlegungen an Research weiter!"

Marietta Baker nickte: "Aye!" und begann schon mal mit Berechnungen für einen Ausweichkurs...

Bei Bakers Antwort verzog McSorn das Gesicht. Mit frostiger Stimme und so leise, dass es nur die unmittelbar neben ihm stehende Melissa Mirnee hören konnte, sagte er: "Wollen wir nur hoffen, dass Research das Ganze etwas wissenschaftlicher angeht und auch noch Ergebnisse liefert, bevor wir von diesem Planeten oder einem seiner Monde zerquetscht werden."

"Er springt wieder, Captain!" sagte da Lieutenant Baker um dann mit größter Verblüffung hinzuzusetzen: "Er hat einen seiner Monde nicht mitgenommen. Remda ist stehengeblieben!"

"Und die Richtung, Lieutenant? Entspricht sie ihrer Theorie?" fragte McSorn.

in diesem Augenblick klackste das Interkom: "Captain? Westphal hier! Wir Empfehlen einen Ausweichkurs! Remda wird zu 99% wahrscheinlichkeit einen Rücksturz zur Sonne bekommen. Wir wissen nicht wie weit, aber wir liegen voll in der Schußlinie!"

"Ausweichmanöver, Lieutenant, Baker! Und folgen Sie Alijeppa!"

***

Schweißgebadet schreckte McSorn hoch. Sein Herz raste und sein Atem ging stoßweise. "Licht!" krächzte er und fast im gleichen Augenblick wurde sein Raum in einen angenehmen Orangeton getaucht.

Da war er wieder, einer dieser verdammten Träume! McSorn fuhr sich mit der zitternden Hand langsam über die Augen. Wenigstens war er diesmal rechtzeitig aufgewacht. Er verzog das Gesicht, denn er kannte das Ende dieser Träume nur zu gut: Wie auch immer die Szenerie war, am Ende wurde die Sternenreiter immer zerstört und er starb einen schmerzvollen, einsamen und äußerst hässlichen Tod.

McSorn streckte seine Beine langsam aus dem Bett und setzte sich auf die äußerste Kante. Er hatte gedacht, die Sitzungen mit Counselor Milano hätten etwas gebracht. Wie er diese Sitzungen gehasst hatte. Aber er hatte gewusst, dass sie dringend erforderlich waren. Also hatte er sich durchgerungen und sie aufgesucht, ganz gegen seine tiefste Überzeugung. Sie hatte sein Privatleben auseinander genommen, die Einzelteile zertreten und dann das Ganze wieder neu zusammengesetzt. McSorn biss die Zähne zusammen als er an die langen schmerzvollen Sitzungen dachte. Aber es hatte wirklich so ausgesehen, als ob sie etwas gebracht hätten, denn er hatte Wochen keinen dieser Träume mehr gehabt. Und jetzt das!

"Liebling?" die verschlafene Frauenstimme holte ihn gänzlich in die Realität zurück. "Liebling? Alles okay bei dir?"
"Ja, Kleines!" Er beugte sich über die zierliche Frau, küsste sanft ihre Schulter. "Du hast wieder geträumt, hm? Wie ist das Schiff diesmal kaputtgegangen?"

Adam McSorn gab sich Mühe, leichthin zu lachen: "Stell dir vor: ein Planet, der sich hopsenderweise vor seiner Sonne aus dem Staub macht... Und sein Mond hat uns gerammt."

Marietta McSorn richtete sich auf: "Kam ich auch drin vor in deinem Traum?" fragte sie spielerisch, um ihn abzulenken." Der Mann grinste: "ja, du warst der Navigator des Schiffes!"

Marietta lachte hell auf: "Ich? Navigator? Da brauchts keine Hops-Planeten, um das Schiff zu zertrümmern!"

Adam lachte ebenfalls, diesmal wirklich befreit: "Ja, und außerdem ginge dem Schiff dann die weltallerbeste Händlerin verloren. Ohne dich hat dieser Bananenfrachter doch gar keine Daseinsberechtigung!"

***

"Commander McSorn!" Mirnees Stimme drang nur langsam zu seinem Bewusstsein vor. Es gelang ihm keine Miene zu verziehen und seinen Kopf in Richtung der Stimme zu drehen.

"Es ist jetzt keine Zeit für Ihre kindischen Verhaltensweisen! Führen Sie meinen Befehl aus!"

McSorn wand sich innerlich. Doch es gelang ihm, Haltung zu bewahren. Er blickte nichtssagend in Richtung Lieutenant Baker und sagte mit frostiger Stimme: "Sie haben es gehört, Lieutenant."

Es war ein Schuss ins Blaue und das wusste er. Aber er wusste genauso gut, dass er mit dieser Antwort nichts falsch machen konnte.