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 Betreff des Beitrags: Der König der Raben (Stephen Lawhead)
BeitragVerfasst: 21.12.2008, 09:14 
Bücherfreund
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Stephen Lawhead
KÖNIG DER RABEN
(gebundene Ausgabe)

Der Waschzettel:
Britannien Ende des 11. Jahrhunderts. Als Prinz des kleinen walisischen Königreiches Elfael lebt der junge Bran ap Brychan in den Tag hinein. Bis die Idylle von einem Tag auf den anderen zerbricht. Graf Falkes de Braose, Vasall von König William Rufus, dringt mit einer Truppe normannischer Krieger in Elfael ein, und Brans Vater wird in einem kurzen, brutalen Kampf getötet.
Plötzlich ist Prinz Bran, der rechtmäßige Erbe, ein Gejagter. Doch darauf hat ihn nichts in seinem Leben vorbereitet. Er ist bereits entschlossen, sein Land und sein Volk zu verlassen, als er von den Verfolgern eingeholt wird. Lebensgefährlich verwundet flieht er in die Tiefen der Wälder.
Dort findet ihn Angharad, eine geheimnisvolle Heilerin und Geschichtenerzählerin. Sie weckt in Bran eine verborgene Kraft und inspiriert ihn, mit einer kleinen Gruppe eingeschworener Gefährten den Kampf gegen die Unterdrücker aufzunehmen. Doch gibt es Gerechtigkeit in einer Welt des Krieges?

My two pennies

Tja, was soll ich sagen? Das Buch hat mich quasi zwiegespalten. Es liest sich gut und flüssig runter, ich habs in einer Nacht „geschafft“. Thematisch jedoch war ich irgendwie… enttäuscht. Obwohl das wohl doch nicht das richtige Wort dafür ist. Ich fühle mich getäuscht, ist vielleicht besser formuliert. Wenn, ja wenn ich das Nachwort zuerst gelesen hätte, oder wenn ich den Amazon-Text konsumiert hätte oder wenn ich schlicht einfach nur die Paperbackausgabe statt des Hardcovers bekommen hätte, wäre ich anders rangegangen. So aber bin ich vom Klappentext ausgegangen und erwartete eine „neue“ Geschichte. Gut, Geschichten von gejagten jungen Adligen sind nicht wirklich „neu“, aber ich hatte mit keiner Faser meiner selbst mit dem dreihundertelfzigsten Aufguss der Robin-Hood-Legende gerechnet. Oh, auch so etwas kann durchaus spannend sein, aber wenn man etwas anderes erwartet, fühlt man sich leicht geneppt.
Dabei fing alles ziemlich spannend an, die Beschreibung des jungen Haupthelden ist sehr bildlich, fast sieht man ihn, wie er aus dem Fenster einer Maid klettert, wohl wissend, dass er zu spät bei seinem Vater sein wird. Und das der wütend sein wird. Zum ersten Male bimmelte ein winziges Glöckchen in mir und ich weiß noch, dass ich halblaut ins leere Zimmer sagte: „Merian? Haben die Engländer wirklich keine anderen Frauennamen?“ Aber bei einem Namen wie Bran ap Brychan denkt man nicht wirklich an Robin Hood, oder? Richtig brutal mit der Nase „draufgestuckt“ wurde ich dann bei der Sequenz, als sich Bruder Aethelfrith und Iwan (Kampfgefährte von Brans Vater und Brans Freund) begegnen und Iwan nichts besseres einfällt als vorzuschlagen, Aethelfrith in „Bruder Tuck“ umzubenennen und der daraufhin kontert, man könne Iwan ja „Little John“ nennen. Wie blöd (sorry) ist das denn?
Der Autor beschreibt die Waliser als stolzes Volk, stolz auf ihr Land und stolz auf ihre Sprache. Dabei sind die Waliser hier wohlweislich NICHT die Engländer. Warum muss dieses dämliche Namenshinundher stattfinden? Nur weil die Originallegende dieses Namen führt? Dabei weist der Autor selber im Nachwort darauf hin, dass die Legende quasi „gewachsen“ sei und die Personen erst nach und nach dazukamen. Weshalb also? Ärgerlich!
Die zweite Sache, die mich etwas gestört hat, war die Passage der „Heilung und Läuterung“ des Bran. Die war sehr zäh, erschien unendlich lang und war vor allem ziemlich… unausgegoren. Ja, körperlich wurde der junge Mann geheilt, aber die innere Wandlung, die er angeblich durchmacht, kommt in keinster Weise rüber. Selbst als er gesund ist und den totgeglaubten Iwan wiedertrifft (der schon im Waldlager der „Gesetzlosen“ haust), will er noch immer weg, fort von seinem Land, das er eindeutig verloren sieht und fort von seinen Untertanen, denen er kein König sein will. Er will einfach nicht. Und plötzlich will er dann doch. Nicht nachvollziehbar (zumindest für mich nicht) kippt er diese Meinung ins Gegenteil.

Gut gefallen hat mir hingegen, dass die „Bösen“ hier nicht nur schwarz gemalt wurden. Auch trugen sie andre Namen als in der Originalgeschichte. Die zwei „Hauptfeinde“ denen sich Bran gegenüber sieht, sind auch unter sich nicht gerade Freunde. Zwei fränkische Normannen, die irgendwie versuchen, in England, speziell in Wales ein Stück vom Kuchen abzubekommen, möglichst ein großes Stück. Dass man da auch untereinander nicht teilen mag, erscheint logisch. Und so ist Brans kleines Königreich eigentlich nur Spielball im Machtgeplänkel, dass auch anderswo hätte stattfinden können.
Die zweite Sache, die ich durchaus gelungen fand, war die Beschreibung zweier Figuren. Die der Merian und die des Asaph, Bischof von Llanelli, einem Kloster auf Brans Land.
Dieser Asaph tritt zwar nicht das ganze Buch über in Erscheinung, aber das was man von ihm liest, macht ihn zu einem sympathischen Menschen. Ja, er hat Brans Vermögen an die Normannen ausgeliefert, aber er tat das, weil er damit Frieden für sein Kloster erreichen wollte. Und er nimmt die Dörfler des Königreiches (ein sehr kleines Reich) im Kloster auf, als die Normannen einfallen. Und er macht beschwerliche Reisen, um bei den herrschenden Franken um Nahrung förmlich zu betteln. Er kümmert sich so um Llanelli und seine Bewohner, wie es Bran um sein Land hätte tun sollen. Manchmal sind seine Methoden nicht jedermanns Sache, aber er hat lange Zeit Erfolg damit. Dass auch er letztendlich vertrieben wird, ist den Wirren der Zeit und seinem trotzdem noch vorhandenen walisischen Stolz zuzuschreiben.
Merian hingegen kommt zu Beginn als ziemlich farblos rüber, man weiß nicht mal, welchen Standes sie ist. Erst später erfährt man, dass sie die Tochter des Königs im Nachbarreich ist. Im Text werden ihr einige Passagen gewidmet, die, in denen sie um Bran trauert, klingen etwas unecht, übertrieben und quasi ins „Original angepasst“. Sie wirkt nicht wirklich tief verliebt. Egal. Wichtiger ist ein anderer Aspekt. Sie, als Tochter aus höherem Hause, dass sich NICHT den Normannen widersetzt, empfindet den ganzen großen Widerspruch, den man fühlt, wenn Zeiten des Umbruchs anstehen. Einerseits ist sie ganz dem alten verhaftet, stolze walisische Prinzessin, die den Normannen nur hochmütige Verachtung entgegenbringt. Andererseits ist sie jedoch fasziniert von den Möglichkeiten, die die neue Zeit (und die neuen Herrscher) bieten. Burgen, in denen es nicht zieht. Bälle, bei denen der Saal taghell mit Kerzen ausgeleuchtet ist. Junge adlige Mädchen, die nett sind und viel von der Welt gesehen haben und mit denen man eigentlich fast gut Freund sein könnte. Merian ist das Bindeglied zwischen Alt und Neu, zwischen Normannen und Walisern, zwischen dem starren Gestern und dem aufregenden Morgen.

Zum Schluß wieder ein Minuspunkt im Buch: Ich wurde an keiner Stelle darauf hingewiesen, dass das Ding ein Mehrteiler werden soll, aber das offene Ende lässt keine anderen Schlüsse zu. Sehr abrupt endet der Text, so, als habe Lawhead den Stift fallengelassen, sei einkaufen gegangen und sein Verleger habe das Buch so mitgenommen. Ich persönlich mag es, auch wenn noch Teile folgen, dass ein Buch ein Ende hat. Etwas, wo ich für mich entscheiden kann, ob ich weiterles oder nicht. Und bei 500 Seiten sollte so etwas möglich sein.

Fazit: Wenn man weiß, dass einen eine Robin-Hood-Adaption erwartet, und man mit einem sehr abrupten Ende klarkommt, ist das Buch sehr gut. Gut „inhalierbarer“ Schreibstil und guter Plot. In der Schule bekäme es von mir eine zwei plus.



Ally

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