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Ein Beitrag von Dag-Ernst Petersen, Wolfenbüttel

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1. Die Umwelt des Buches

Das Sammlungsgut einer Bibliothek besteht zum größten Teil aus den organischen Materialien Pergament, Leder, Papier, Holz, Gewebe, Klebstoff, aber auch Kunststoffe sind vertreten, aus denen die modernen Datenträger wie Filme, Tonbänder, Disketten, CDs und DVDs hergestellt werden. Die Haltbarkeit dieser Materialien unterliegt der Gesetzmäßigkeit der sogenannten 'natürlichen Alterung', die sich prinzipiell nicht aufhalten läßt, deren Verlauf aber ganz wesentlich von den Aufbewahrungsbedingungen abhängig ist.
Die Umwelt der Bücher im Magazin wird bestimmt durch die Faktoren:

Temperatur
Luftfeuchtigkeit
Luft und
Licht.

Raumklima

Temperatur und Luftfeuchtigkeit - zusammengenommen das 'Klima' - haben entscheidenden Einfluß auf das Alterungsverhalten und damit auf die Dauerhaftigkeit der oben genannten Materialien. Je höher die Temperatur (etwa über 22ºC), desto schneller altern die Materialien, denn bekanntlich beschleunigt jede Temperaturerhöhung chemische Prozesse, wie sie ebenfalls der Alterung zugrunde liegen. (Will man in überschaubaren Zeiträumen Aussagen über das Alterungsverhalten von Materialien erhalten, setzt man diese Grundregel im Rahmen der sogenannten 'beschleunigten' oder 'künstlichen' Alterung ein.) Liegen Temperatur und Feuchtigkeit (kritisch ab 65 % RF) in einem höheren Bereich, kann in den Räumen und an den Beständen ein Wachstum von Mikroorganismen eintreten (Schimmelpilze, Stockflecke, in seltenen Fällen auch der Hausschwamm). Bei niedriger Luftfeuchte (unter 40 % RF) können die Materialien austrocknen und verlieren ihre Flexibilität, die für die Benutzung im Bibliotheksbetrieb benötigen (im wesentlichen handelt es sich um die Beweglichkeit der Buchdeckel in den Gelenken, oder der Seiten beim Umblättern).

Die Luftfeuchtigkeit steht in einem thermodynamischen Gleichgewicht mit der Materialfeuchte, deshalb führen Schwankungen der Luftfeuchtigkeit zwangsläufig zu Veränderungen der Materialfeuchte. Es ist wissenschaftlich erwiesen, daß Abbaureaktionen im Papier auf diesen Zusammenhang zurückzuführen sind. Schwankungen der Materialfeuchtigkeit sind insbesondere bei Pergament mit Volumenänderungen verbundenen, wodurch Illuminationen in Handschriften gefährdet sind, weil zum Beispiel die unelastische Malschicht der Bewegung des Malgrundes nicht folgen kann und abplatzt.

Daraus folgt als oberste Priorität die Forderung der Klimakonstanz. Wichtig ist der Hinweis, daß die geforderten Standardwerte (20ºC ± 2 Kelvin und 50 ± 5% RF) im Hinblick auf die heterogene Ansammlung von organischen Materialien einerseits und das Wohlbefinden der Menschen (Bibliothekare und Benutzer) andererseits einen Kompromiß darstellen.

Das Klima kann mit Thermometer und Hygrometer überwacht werden, besser geeignet sind Thermohygrographen, die den Verlauf der Temperatur und Feuchtigkeit wochenweise oder monatlich auf einem Diagrammpapier aufzeichnen. Heute können die Klimawerte über elektronische Sensoren 'online' oder per Funk in einer Zentrale erfaßt und überwacht werden. Zur Kontrolle des Klimas für überschaubare Zeiträume wie zum Beispiel bei Ausstellungen oder dem Transport von Leihgaben, sind Datenlogger geeignet, die für einen vorprogrammierten Zeitraum die Werte der Temperatur und Luftfeuchtigkeit speichern. Die Logger werden anschließend am PC ausgelesen, und das Klima kann als Kurve ausgedruckt werden.
 

Die Luft

Die Luftqualität in den Innenräumen muß Schadstoff-frei sein, deshalb müssen aus der Zuluft einer Klima- oder Belüftungsanlage alle festen und gasförmigen Schadstoffe einschließlich der Bioärosole herausgefiltert werden. Staub enthält immer Keime von Mikroorganismen, die bei entsprechenden Klimabedingungen eine potentielle Gefahr darstellen. Durch Partikel, Schadgase und hohe Luftfeuchtigkeit wird zudem in den holzhaltigen, Alaun-geleimten Papieren und den üblichen Ledersorten des ausgehenden 19. Jahrhunderts die Säurebildung begünstigt.

Partikel werden durch Filtermatten, Gase (zu nennen sind Schwefeldioxid, Stickoxide, Ozon, FCKW [Fluorchlorkohlenwasserstoffe]) durch Aktivkohlefilter abgetrennt. Holzhaltige Papiere und Leder absorbieren und speichern SO2, das Gas reagiert mit der Materialfeuchte zu Schwefelsäure, welche wiederum die Materialien zersetzt.
 

Licht

ist eine Energie in Form von elektromagnetischen Wellen. Das für unser Auge sichtbare Licht ist nur ein kleiner Ausschnitt des elektromagnetischen Spektrums (380 - 780 nm; nm Nanometer = 10 - 6 mm), die angrenzenden Bereiche bezeichnet man als Wellen oder Strahlen. Die schädigende Wirkung des Lichtes nimmt im Spektrum von grün über blau und violett zum ultravioletten hin zu (UV Strahlen unterhalb von 380 nm). Je kürzer die Wellenlänge, desto energiereicher ist die Strahlung. Alle Materialien absorbieren Licht beziehungsweise Strahlen, die Energie wird in Wärme umgewandelt oder löst photochemische Reaktionen aus. Als Konsequenz bleichen Tinten und Farben aus, Papiere gilben oder bräunen, Langkettenmoleküle der Materialien werden gespalten und diese dadurch geschwächt.
Lichtschäden addieren sich langfristig und sind grundsätzlich irreversibel.

Auf Grund einer internationalen Empfehlung sollen lichtempfindliche Objekte mit einer Beleuchtungsstärke von 50 Lux (lx) ausgestellt werden. Die Lichtmenge, der ein Objekt ausgesetzt wird, berechnet sich aus Beleuchtungsstärke x Beleuchtungsdauer. (Luxstunden = lxh). Maßgeblich für einen Lichtschaden ist letztlich nur die Lichtmenge. Bei der Einschätzung von Lichtschäden ist deshalb der Faktor Zeit ebenso wichtig wie die Lichtstärke selbst.

UV Strahlen lassen sich aus dem Tageslicht mit Lichtschutzlacken, - folien oder - gläsern herausfiltern. Gläser - ebenfalls als Plexiglas lieferbar - sind langfristig wirkungsvoller als Lacke oder Folien. Die Strahlung der Glühlampe liegt überwiegend im IR Bereich, das heißt, Glühlampen geben sehr viel Wärme ab, dafür ist ihr UV Anteil relativ gering. Spotlampen und andere Reflektorglühlampen bündeln den Anteil des sichtbaren Lichtes und den gesamten IR Anteil, solche Lichtquellen können an Objekten aus organischen Materialien schwere Schäden verursachen. Die Strahlung der Halogenlampen (Hoch- und Niedervolt) hat einen hohen UV Anteil, um diesen und IR Anteile wirksam zu verringern, werden die Leuchtmittel mit speziellen Glaskolben ausgerüstet. Die schonendste Art der Beleuchtung in einer Vitrine ist die Verwendung von Glasfaser-Lichtleitern mit Niedervolt-Halogenlampen, das Licht ist regelbar, kalt und absolut UV-frei. Heute werden im Vitrinenbau bereits Leuchtdioden zur Beleuchtung der Objekte eingesetzt.

 

2. Der Stand der Bücher in den Regalen

Die Regalböden sollen glatt und eben sein, um die Reibung an den Deckelkanten möglichst gering zu halten. Die Bücher sollen senkrecht stehen und sich gegenseitig mit leichtem Seitendruck abstützen. Besonders flexible Pergamenteinbände und dünne, großformatige Pappbände können sich ohne einen Seitendruck dauerhaft verformen. Werden Bücher aus den Regalen entnommen, sollen Buchstützen eingesetzt werden, die seitlichen Halt geben. Zu eng stehende Bücher sind besonders gefährdet, da einstellen oder entnehmen schlecht möglich ist, zudem beschädigen eventuell vorhandene Schließen und Beschläge die benachbarten Bände. Stehen die Bücher dagegen zu locker, kann von oben leicht Staub eindringen, und die Buchblöcke hängen durch, wodurch sich langfristig der Buchblock im Einband löst. Die Buchreihen sollen stets einen sicheren Abstand von Wänden und vom Fußboden haben, um eine unmittelbare Übertragung von Feuchtigkeit aus dem Mauerwerk beziehungsweise eine Durchnässung von unten bei einem Wasserschaden zu vermeiden, und eine bessere Luftzirkulation zu ermöglichen. Auf ausreichenden Abstand der Bücher von Heizkörpern, von Öffnungen einer Klimaanlage und Lichtquellen ist streng zu achten. Die Materialien können sonst durch Wärme und Zugluft erheblich austrocknen.

Magazine sollen weitgehend abgedunkelt werden. Tageslicht oder sogar direkte Sonneneinstrahlung sind für alle organischen Materialien - insbesondere Einbandleder - schädlich und deshalb unbedingt zu vermeiden. Einbände mit scharfkantigen oder vorstehenden Beschlägen sollten in Schutzbehältnissen aufbewahrt werden. Ist der Einband in gutem Zustand, genügt auch ein passender Schuber. Für Bücher mit empfindlichen (wie Samt oder Seide) oder bereits beschädigten Einbänden ( zum Beispiel Lederbände mit 'rotem Verfall') ist ebenfalls ein Schutzbehältnis empfehlenswert.

 

3. Entnehmen und Einstellen von Büchern

Die schonendste Art, Bücher aus einem Regal zu entnehmen, besteht darin, die benachbarten Bände etwas zurückzuschieben, das gewünschte Buch mittig am Rücken zu fassen und herauszuziehen. Schuber und Kassetten werden ebenso entnommen. Vor dem Wiedereinstellen faßt man in die Lücke und schiebt die benachbarten Bände an die Vorderkante des Regals. Ist der Abstand zwischen der Buchreihe und dem darüberliegenden Regalboden ausreichend, kann man über das Buch hinweggreifen und es am Vorderschnitt aus der Reihe zu sich herausdrücken.
Bücher dürfen niemals an ihren oberen Kapitalen oder den Überzügen herausgezogen werden!

Ein Kapital ist selten so fest mit dem Buchblock verbunden, daß es einer solchen Beanspruchung standhalten würde. Die Kapitale lösen sich vom Buchblock, und Überzüge reißen in den Gelenken ein. Bücher mit Schließen und Beschlägen müssen besonders sorgfältig entnommen werden, um die benachbarten Bände nicht zu verletzen.

 

4. Der Transport von Büchern

Zur Beförderung geringer Büchermengen eignen sich Taschen und Kontainer. Bei größeren Mengen wird ein Bücherwagen benötigt. Die Bücher sollen rutschfest auf ihren Stehkanten, jedoch niemals auf den Vorderkanten stehen! Weicht die Temperatur im Magazin stark von der des Lesesaals ab, ist vor der Benutzung eine ausreichende Zeitspanne zur Akklimatisierung erforderlich. Pergament als Schriftträger oder Einbandmaterial reagiert auf Klimaschwankungen besonders empfindlich, es kann schrumpfen oder sich verwerfen.

 

5. Benutzung von Büchern

Alle Bücher sollen nur auf einer ausreichend großen und festen Unterlage benutzt werden.
Buchschließen lassen sich leicht öffnen, indem mit der linken Hand der Vorderschnitt etwas zusammengedrückt wird und die rechte Hand den Haken aushängt. Versucht man, den Haken nur durch Ziehen nach vorne zu öffnen, kann der Schließenriemen beschädigt werden.
Bücher in klemmenden Schubern sollen über einem Tisch vorsichtig herausgeschüttelt werden, auf keinen Fall die Fingerspitzen in den Schuber zwängen, da dieser dann platzen wird.
Selten lassen sich alte Bücher ohne weiteres bis zu einem Winkel von 180º öffnen. Der Öffnungswinkel ist abhängig von der Einbandtechnik, dem verwendeten Material und seinem Erhaltungszustand. Damit beim Lesen der Bucheinband beschädigt wird, ist unbedingt auf die Sperrigkeit des Bandes beim Öffnen Rücksicht zu nehmen! Um das Buch trotzdem komfortabel zu lesen, benutzt man die Hilfsmittel, die heute zumeist in den Lesesälen angeboten werden (Schaumstoffkeile und - unterlagen, ferner Beschwerungsschlangen zum Niederhalten der Buchseiten).
Der Gebrauch der Keile zum Unterlegen ist ebenfalls bei Einbänden mit hohlem Rücken anzuraten. Beim Öffnen will sich nämlich das Überzugsmaterial nach außen und der Buchblock nach innen wölben. Die Unterlagen stellen bei korrektem Gebrauch den erforderlichen Abstand vom Buchrücken zur Tischoberfläche her, wodurch eine Spannung an den Gelenken des Einbandes vermieden wird.
Zum Umblättern soll die rechte Hand das Blatt an seiner oberen Ecke anfassen, an der Vorderkante heruntergeführt werden, dann läßt sich das Blatt an seiner unteren Ecke leicht umwenden.
Bei der Benutzung von Handschriften auf Pergament wird die aufgeschlagene Doppelseite mit einer 1mm dicken, flexiblen Klarsichtfolie (Acetatfolie) mit abgerundeten Ecken und entschärften Kanten bedeckt.
Die Folie verhindert :
einen spontanen Feuchtigkeitsaustausch mit der Umgebung und die damit verbundene Verformung der Pergamentblätter,
die Aufnahme von Feuchtigkeit durch die Atemluft des Lesers,
sie ermöglicht außerdem die Suche von Einzelheiten im Text oder in einer Illumination, da das Berühren der Handschrift ohne Schutzfolie selbstverständlich verboten ist!
Herausgeklappte Tafeln sollen immer in den ursprünglichen Brüchen zusammengelegt werden.
Nach der Benutzung müssen Schließen eingehakt oder Verschlußbänder verknüpft werden.

 

6. Die Reinigung der Magazine, Regale und Bücher

Magazine

Die Reinigung soll dem Grundsatz folgen, möglichst wenig Staub aufzuwirbeln, andererseits darf nicht zu viel Feuchtigkeit in die Räume eingetragen werden. Glatte, geschlossene Böden (PVC, Linoleum oder ähnliches) werden stets feucht gewischt. Dem Wasser können Pflegemittel zugesetzt werden, die Schmutz abweisen und die Rutschgefahr vermindern.
Teppichböden und Parkett sollen mit Staubsaugern gereinigt werden.
 

Regale und Bücher

Bei der 'Buchpflege' werden die Bücher einzeln aus den Regalen genommen und auf einem Tisch so gestapelt, daß der Kopfschnitt an der Tischkante zu liegen kommt; auf den Stapel wird mit einer Hand Druck ausgeübt, mit der anderen wird mit der Möbelbürste eines Staubsaugers der Schnitt abgesaugt.

Empfehlenswert sind nicht zu große Bodenstaubsauger, deren Abluft mit speziellen Feinststaub- und Mikrobenfiltern gefiltert wird. (In Frage kommen Keimfilter der Verwendungskategorie K 1 / K 2 oder Staubklassse H nach EU-Einteilung, ferner HEPA [high-efficiency particulate air filter], auch als Schwebstoffklasse-Filter bezeichnet.) In der Zwischenzeit werden die Regalböden von einer zweiten Person mit Wasser, dem Putz- oder Desinfektionsmittel zugesetzt wurden, schwach feucht gereinigt. Die Böden müssen in jedem Fall absolut trocken sein, ehe die Bücher - in der richtigen Reihenfolge -wieder eingestellt werden können. Eine weitergehende Reinigung der Einbände ist im Zuge einer Buchpflege nicht angeraten!

 

7. Die Pflege der Bucheinbände

Die Reinigung der Einbandmaterialien

Eine Reinigung von Leder, Pergament, Gewebe und Papier kann nur durch erfahrene Restauratoren erfolgen.
 

Pflege der Einbandmaterialien

Nach dem heutigen Stand der Restaurierung wird eine Behandlung von Leder mit Pflegemitteln generell abgelehnt. Ist das Leder bereits sehr stark abgebaut, ist eine festigende Vorbehandlung mit Cellulose ebenfalls durch einen Restaurator notwendig. Pergamentbände lassen sich mit reinem Lanolin, dem 50% demineralisiertes Wasser zugesetzt wurde, pflegen und reinigen (in einer Apotheke nur in kleinen Mengen anmischen lassen; da die Mischung kein Konservierungsmittel enthält, wird sie leicht ranzig). Überschüssiges Fett an den Einbänden muß sorgfältig abpoliert werden, da es sich während der Benutzung in das Buchinnere überträgt.
 

 

Zum Autor:
Dag-Ernst Petersen, Leiter der Abteilung Bestandserhaltung und der Restaurierungswerkstatt der Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel
Zum Artikel:
Stand: Januar 2005
Geschäftsstelle:
Universitäts- und Landesbibliothek Münster
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