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Das Montglane-Spiel

Zu meinem Start in der Leseecke geht's um ein Buch, das mich außerordentlich gefesselt hat und noch in der Erinnerung fasziniert, auch wenn mir viele Details nicht mehr präsent sind. Es handelt sich um einen Roman, der ein historischer und zugleich Gegenwartsroman ist, dazu noch ein Krimi - oder eher doch nicht - mit viel Rätselhaftem und Überraschendem, vielleicht ein Frauen- oder Abenteuerroman, auf alle Fälle ein aktions- und koloritreiches Werk. Und dieses Buch kann auch Folgen haben, etwa die Beschäftigung mit der französischen Revolution, dem Schachspiel oder mystischen Themen.
Das Buch heißt 'Das Montglane-Spiel', ist das erste Buch von Katherine Neville, einer 1945 in St. Louis geborenen global tätigen Computerspezialistin, die schließlich als Vizepräsidentin der Bank of America in San Francisco tätig war.

Oszillierend zwischen 1790 - der Zeit nach der französischen Revolution - und 1970 - der amerikanischen Gegenwart - kreist - und kreißt gewissermaßen - die Handlung um das Montglane-Schachspiel, einst ein Geschenk für Karl den Großen, dessen Figuren nach der Überlieferung eine geheimnisvolle Formel zu ungeahnter Macht in sich bergen. Das Schicksal dieser Figuren und die Suche nach ihnen saugt den Leser durch den Roman im Paralleldesign, führt ihn durch die Wirrnisse und Gräuel der französischen Revolution mit eindringlichen Darstellungen und vielen mit leichtem Wort präsentierten historischen Details - etwa dem Maler Jacques-Louis David oder der Ermordung Marats in der Badewanne, die sich die Handlung nahtlos und unbeschwert einverleibt -, um ihn dann gleich wieder ins anonymere moderne New York zu versetzen mit unerklärlichen Geschehnissen am Rande eines Schachturniers und viel Rätselhaftem um einen Schachspieler. So ungern ich jeweils die eine Handlungsschiene verlassen habe, so sehr war ich gleichzeitig auf die Fortsetzung der anderen Ebene gespannt: eine sehr dynamische Konstruktion, in der die eine Ebene verbirgt, was die andere sucht.
Im letzten Drittel der 630 Seiten wird der Roman zunehmend globaler, spannt bei unveränderter Grundthematik den historischen Bogen vom Beginn der napoleonischen Ära zum zaristischen Rußland Katharinas, den modernen Bogen nach Nordafrika. Die Überzufälligkeit der involvierten großen historischen Namen wird hier nach meinem Empfinden etwas überstrapaziert, hat aber dennoch ihren Reiz und ihre Logik. Zugleich leidet der grandiose Spannungsbogen ein wenig bei der Globalisierung, die bislang stringente Handlung zerfließt ein wenig in der doppelten Odyssee, die nahezu transdermale Atmosphäre schwindet. Letztendlich führt die Handlung - wie schon angedeutet - in den Kreißsaal der Geschichte. Aber führt diese kleine Weltgeschichte zur Wiedergeburt der Schachfiguren, zur Entdeckung der Formel, zur Lüftung der Geheimnisse? Und führt sie zur Erklärung des Originaltitels 'The Eight'?

Da ich die Faszination dieses Buches nur schemenhaft anzudeuten vermag, hilft eigentlich nur eines: selbst lesen!

fibomo, 24.11.2002


Hallo fibomo,

herzlichen Dank für deine sehr ausführliche Beschreibung!!

Bei der sehr hohen Qualität deiner Rezension (ich habe es genossen, sie zu lesen) ist kaum vorstellbar, das Neville das halten kann, was dort versprochen wird . Übrigens scheint dieser Stil von ihr Methode zu haben - ihr zweites Werk "Der magische Zirkel" baut sich genauso auf - zwei parallel verlaufene Zeiten, die irgendwann im Laufe des Buches aufeinandertreffen.

Mir ging es damals ähnlich, hatte ich mich endlich in die eine Welt eingelesen, kam schon wieder die andere:

quote:


So ungern ich jeweils die eine Handlungsschiene verlassen habe, so sehr war ich gleichzeitig auf die Fortsetzung der anderen Ebene gespannt: eine sehr dynamische Konstruktion, in der die eine Ebene verbirgt, was die andere sucht


Das kann ich bestätigen, zumindest was den "magischen Zirkel" angeht.

Sollte ich doch den "Vogelmann" wieder ins Regal stellen, und mit dem "Montglane-Spiel" meine Abende bestreiten?

Jetzt hast du mich aber schwer in die Bedrouille gebracht.......

Bücherwurm, 25.11.2002


@fibomo: Hatte das Montglane-Spiel dank Deiner Rezension ganz weit oben auf meiner Weihnachtswunschliste stehen- und nach 2 Tagen katastrophalen Schlafmangels bin ich jetzt durch- wow...
Durchaus empfehlenswert !

ene, 05.01.2003