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Die Narben der Gewalt

- Traumatische Erfahrungen verstehen und überwinden –
380 Seiten
Kindler, 1993
ISBN 3-463-40246-7

Gute Einführung für alle, die mit Traumatisierten zu tun haben

Es werden ersteinmal traumatische Störungen vorgestellt: Kriegserfahrungen, Gefangenschaft, (Kindes)Mißbrauch. Die Traumatisierung erfolgt dadurch, dass man der Gefahr(ensituation) weder durch Kampf/Gegenwehr noch durch Flucht entkommen kann. Dies führt häufig zu Dissoziationen, sodass man für bestimmte Bereiche/Situationen das Körpergefühl verliert. Für das soziale Umfeld ist es oftmals schwer verständlich, dass Traumatisierte zwischen dem Wunsch nach Nähe und Verständnis und dem Aufbauen von Distanz hin- und herpendeln. Die Verletzung von Vertrauen und Gefühlen, die Erfahrung von Ohnmacht, die Fremdbeeinflussung des Denkens führt zum Verlust des Selbstwertgefühls und zu seelischen Wunden.

Im zweiten Teil werden die Stationen des Heilungsprozesses beschrieben, der phasenweise abläuft. Es wird einiges zu der (nicht immer einfachen) Beziehung TherapeutIn/PatientIn geschrieben und den möglichen Problemen, die bei der Bearbeitung des traumatischen Ereignisses entstehen können. Dann die Heilungsstationen: Sicherer Raum – Erinnern und Trauern – Wiederanknüpfung an das ‚normale‘ Leben. Es wird auch auf die heilsame Wirkung von therapeutischen Gruppen eingegangen, die jedoch nur unter gewissenhafter und fachmännischer Leitung zusammengestellt und begleitet werden sollten, und die nach den Erkenntnissen von J. Herman als verstärkende Ergänzung zur einzeltherapeutischen Maßnahme zu sehen sind. Es gilt eine positive Sichtweise des Selbsts wieder aufzubauen und destruktive Handlungsmuster zu durchbrechen um dadurch die (vorher durch das Trauma gebundenen) Kräfte für eine sinnvolle Lebensgestaltung zu aktivieren. Nach Aussage des Buches ist jedoch eine absolute Heilung nicht möglich, einzelne Rückfälle durch Veränderungen in den Lebensumständen der betroffenen Personen können immer wieder vorkommen.

Ich halte dieses Buch nicht nur für Fachleute lesenswert, besonders, da es auch in einer von Laien verständlichen Sprache geschrieben ist. (Und hat eigendlich nicht jede/r von uns die eine oder andere (glücklicherweise meist) kleinere Narbe davongetragen?)

Dadurch, dass die Problemfelder nur grob umrissen werden und keine reißerischen Details aufgeführt werden, halte ich den Triggeranteil gering, was jedoch allein im Ermessen der evtl. davon betroffenen Personen/LeserIn liegt.

Silbereule, 21.11.2003