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    Nachts um eins am Telefon

    Von hera | 27.September 2005

    Was tut man, wenn man einsam, allein und vor allem schlaflos ist? Man telefoniert mit Freunden oder Fremden.
    Er telefoniert mit Jetti. Mit ihr verbindet ihn eine alte Freundschaft, aus der mehr hätte werden könne.
    Und er spricht mit seinem Freund Richard, der unter seiner Fettleibigkeit leidet und damit auf wenig Verständnis stößt. Oder mit seiner Nachbarin. Eigentlich braucht er dafür den Telefonhörer gar nicht in die Hand zu nehmen. Er kann die Frau durch die Wand hören.
    Meist geht es um alte Geschichten. Dinge, die ihn oder seine Freunde nicht schlafen lassen.
    Es ist, als passen die Freunde gegenseitig auf sich auf. Dabei bleiben sie jedoch immer auf Distanz, scheinen ein Problem damit zu haben, Nähe zuzulassen.
    Und manche Dinge werden sogar lieber völlig Fremden erzählt. Da wird einfach eine Nummer gewählt und gesehen, was sich ergibt.

    Ein Telefongespräch reiht sich an das nächste. Den Kontakt zur Außenwelt scheint er fast verloren zu haben. Das wirkt befremdlich und beängstigen, durch den unterschwelligen Humor aber auch wieder komisch und verrückt.
    Alte Erinnerungen mit alten Freunden aufzudröseln, macht scheinbar nicht glücklich. Egal, wie oft man das alles wieder aufwärmt.
    Der Ich-Erzähler merkt schon, dass in seinem Leben etwas ganz und gar nicht stimmt. Er sagt auch selbst, er braucht neue Menschen zum Erzählen. Die sucht er sich aber nicht etwa draußen. Er greift lieber wieder zum Telefon. Die Städte sind voll mit anderen Schlaflosen. Und er benötigt nun mal Distanz, um sprechen zu können. Er ist ein Gefangener, der sich selbst gefangen hält. Nur einmal durchbricht er diesen Zustand und wird es wohl nicht so bald wieder tun. Fast geht dann auch diese Episode unter, als wäre nichts gewesen. Bedeutungslosigkeit macht sich breit. Dennoch bleibt man als Leser nicht ganz hoffnungslos zurück. Vielleicht springt der Ich-Erzähler doch noch irgendwann über seinen eigenen Schatten. Mit seinen Telefonaten hat er zumindest den Grundstein gelegt.

    Über den Autor
    Michael Köhlmeier wurde 1949 in Hard am Bodensee geboren. Er studierte Germanistik und Politikwissenschaften, Philosophie und Mathematik. Der Autor erhielt zahlreiche Preise und Auszeichnungen. Er lebt in Hohenems, Vorarlberg, und in Wien.

    Rezension von Heike Rau

    Michael Köhlmeier
    Nachts um eins am Telefon
    110 Seiten, gebunden
    Deuticke im Paul Zsolnay Verlag, Wien
    ISBN: 3-552-06020-0
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